Tulpe
Substantiv, f:

Worttrennung:
Tul·pe, Plural: Tul·pen
Aussprache:
IPA [ˈtʊlpə]
Bedeutungen:
[1] Botanik: Blütenpflanze (Tulipa) aus der Familie der Liliengewächse (Liliaceae)
[2] übertragen: Stielglas, dessen Form der einer Tulpenblüte ähnelt und aus dem insbesondere Bier (Pils), Wein oder Sekt getrunken wird
[3] übertragen krankenhaussprachlich: Glasgefäß, um den Urin eines (bettlägerigen) Patienten aufzufangen
[4] übertragen landschaftlich veraltend: Regenschirm, der durch heftigen Wind umgestülpt worden ist
[5] salopp: jemand, der eigenartig, merkwürdig, sonderbar, wunderlich und mitunter dümmlich ist
[6] salopp: Mädchen, das unbeständig ist und häufig den Freund wechselt
[7] landschaftlich: (breite und/oder dicke und/oder große) Nase (besonders die gerötet ist), vor allem aber eine Stülpnase
[8] obersächsisch (Leipzig) veraltet, südhessisch verächtlich: oberster Körperteil eines Menschen
Herkunft:
[1] Die Bezeichnung [bestimmter] im 16. Jahrhundert aus dem Vorderen Orient nach Europa eingeführten [Arten der] Blume taucht zuerst in Reiseberichten desselben Jahrhunderts vor allem als Tulipa(n) auf. Die Gartentulpe (Tulipa gesneriana) wird erstmals 1554 in einem Brief von Ogier Ghislain de Busbecq, ein im diplomatischen Dienst der Habsburgermonarchie stehender kaiserlicher Gesandter am Hofe Süleyman Ⅰ., in den neulateinischen Formen Tulipan und Tulipanti erwähnt. Diese zwischenzeitlich nach Mitteleuropa gebrachte Art wurde von Conrad Gesner in einem Sammelwerk von Valerius Cordus 1561 abgebildet, beschrieben und mit neulateinisch Tulipa bezeichnet, die er 1559 im Augsburger Garten des Ratsherrn Heinrich Herwart gesehen hatte. Darin erwähnt Gesner auch, dass der Dresdner Arzt Johannes Kentmann eine andere Art während seiner Studienzeit 1549–1551 in Italien kennengelernt – also noch vor Busbecq – und eine Abbildung an Gesner geschickt habe; auch diese Art führte bereits die neulateinische Benennung tulipa, wobei türkische Kommilitonen diesen Namen auf das Perigon (flos) zurückführten, das die Form eines „pileoli Dalmatici“, eines ‚dalmatischen Käppchens‘ (pileolus), habe (Dalmatien war damals schon größtenteils unter osmanischer Herrschaft). Nun war die Kopfbedeckung vornehmer Osmanen ein ziemlich spitz zulaufendes Käppchen mit einer bauschigen Umwickelung aus feinem, hellen Tuch (Seide, Musselin), passend für den Vergleich mit den spitz zulaufenden Perigonblättern der Gartentulpe. Die Blume heißt zwar im Osmanisch-Türkischen لاله‎ (DMG: lālä, lāle; İA: lâle) → ota , die Kopfbedeckung aber دلبند‎ (DMG: dülbänd, dülbend; İA: dülbend) → ota (tülbent im modernen Türkisch). Letztere Bezeichnung wurde seit dem 16. Jahrhundert auch in vielfältigen Varianten in fast alle europäische Sprachen übernommen. Im Deutschen ist es erstmals 1572 in der Übersetzung eines Reiseberichts des französischen Geografen Nicolas de Nicolay in der frühneuhochdeutschen Form tulbant belegt und wurde als ‚großer heidnischer Bund‘ umschrieben (vergleiche die Benennung »Türkenbund« für Lilium martagon mit vergleichbarem Perigon). Weitere auf die neulateinischen Benennungen beruhende frühneuhochdeutsche Formen lauteten Tuliban, Tulipan (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts) sowie Tulipane (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts). Der gleichen neulateinischen Quelle entstammt französisches tulipe, aus dem wiederum niederländisches tulp (älter tulpe) entlehnt ist. Durch niederländische Vermittlung erscheint in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts die neuhochdeutsche Form Tulpe, die später allgemein üblich wurde.
Das türkische Wort geht auf die persischen Formen دلبند‎ (DMG: dulbänd, dolbänd) → fa / دولبند‎ (DMG: dūlbänd) → fa und تولبند‎ (DMG: tūlbänd) → faTurban‘ zurück, die ihrerseits wohl zu den altindischen Formen तूल ‚Baumwolle‘ und बन्ध ‚Band, Binde‘ zurückführen (vergleiche auch die heute vor allem noch von den Sikhs getragenen, ebenfalls aus einem feinen Tuch bestehenden Turbane).
Unerklärt bleibt nur die Frage, warum die doch großenteils auch in Europa, im Mittelmeerraum und Vorderasien beheimateten wild wachsenden und schon in einer Mailänder Bibelhandschrift um 1100 ornamental abgebildeten Arten keine ältere Benennung haben; auch in persischen Quellen tritt der Name der Tulpe erst bei ʿUmar-i Ḫayyām auf.
[2] Die Bedeutung ist ab 1600, vorwiegend nördlich der Mainlinie, bezeugt und wurde zunächst vor allem auf Biergefäße bezogen.
[3] Das Wort ist in dieser Bedeutung krankenhaussprachlich ab 1940 bezeugt.
[4] Die ab 1840 vor allem in Berlin, Leipzig und Wien bezeugte umgangssprachliche Übertragung fußt auf der Formähnlichkeit des umgestülpten Regenschirms mit einem Tulpenkelch (vergleiche auch für Leipzig bezeugtes RegentulpeRegenschirm‘).
[5] Diese Bedeutung ist seit dem späten 19. Jahrhundert gemeindeutsch bezeugt und könnte womöglich eine Entstellung von Tölpel darstellen (vergleiche auch veraltetes Tülp/TülpsTölpel‘, südhessisches Tülpes ‚ungeschickter Mensch, Tolpatsch; dummer, frecher, grober Wicht‘ und für Leipzig bezeugtes Tulpentritsch ‚Tolpatsch‘).
[6] Ab 1950 ist diese Bedeutung bezeugt und aus dem Berliner Halbweltjargon in die Umgangssprache eingegangen (vergleiche Tülpchen).
[7] Seit 1840 ist diese Bedeutung bezeugt.
Synonyme:
[1] veraltet, sonst noch landschaftlich: Tulipan, Tulipane
[2] Tulpenglas
[3] Urinflasche, Uringlas
[3] umgangssprachlich: Ente
Beispiele:
[1] Ein Beet voller Tulpen wurde von den Gärtnern angelegt.
[1] „Bey dieſen Worten oͤffnete der Markeſe die fließpapierne Tuͤte, die er mitgebracht, und mit langſamer Sorgfalt zog er daraus hervor eine wunderſchoͤne Tulpe.
[1] „Und wie Eva nach einer Woche mal mit ihm auf Miezes Grab geht, bekommt ſie gleich Stoff, ſich zu wundern, und merkt, wie es ihm beſſer geht. Nichts von Weinen, bloß eine Handvoll Tulpen legt er hin, ſtreichelt das Kreuz, und ſchon nimmt er Evan untern Arm und ab mit ihr.“
[1] „Im Garten die ersten Krokus und Märzenbecher, das Sprießen und Prangen der Hyazinthen und Tulpen in den Rabatten am Haus freute die Gute zu Tränen.“
[1] „Im Garten duftete es süß nach Flieder, die Tulpen spreizten ihre Flammenkelche, wie üblich pusselte die Mutter tagsüber zwischen den Beeten, harkte und goß, schnitt Rhabarber und sammelte Radieschen.“
[1] „Und wenn das Wetter schön war, setzten sie sich, um weiter über die Weltpolitik zu diskutieren, alle zusammen in den kleinen Garten hinter dem Haus, der nur uns vorbehalten war, aber von Lomi und Brauni bearbeitet wurde, bis auf die Tulpen, die meine Mutter selber setzte.“
[1] „Wir kommen uns vor wie in einem großen, biederen Vorgarten: Auf der Wiese sitzt eine drei Meter große Ente aus Stiefmütterchen, die Parkbänke sind von rechteckigen Beeten umrahmt, rosa Tulpen, lila Tulpen, violette Tulpen.
[2] Zur Tulpe gehört ein Pilsdeckchen.
[2] „‚Knuſämon!‘ ſagte Wordelmann und hob ſeine breite Tulpe zu Schmitzdorff rüber.“
[2] „Für Bordeaux und andere Rotweine: auf niedrigem Stiel eine gerade Tulpe, so groß, daß man den Wein bequem darin kreisen lassen kann, um seine Duftstoffe herauszulocken, und so weit nach innen gebogen, daß eben diese Stoffe nicht entfliehen.“
[2] „Pils würde aus zylindrischen Gläsern besser schmecken als aus den gewohnten Tulpen, obergärige Sorten wie Weißbier dagegen sollten in Schalen genossen werden.“
[2] «Denn - und so etwas darf man als Laie denken und sogar laut sagen: Ein guter Wein schmeckt auch, wenn man ihn aus einem giftgrünen Glas trinkt, und ein schlechter wird in der perfekten Tulpe nicht besser; ein Roter bleibt im blauen Glas rot, und ein Weisser bleibt weiss und wird nicht weisser.»
[4] „Unfähig, mich zu vertheidigen gegen die Angriffe des Sturmes, da links Madame Spindelbein meinen Arm feſtgenommen hatte, rechts ich die Parapluie-Tulpe hielt, und zum Ueberfluſſe noch an meinem Rock-Schlepptaue das weinende Kind nachzuziehen hatte, riß ein zweiter Windſtoß mir den Hut vom Kopfe, und jagte ihn im vollen Fluge davon.“
[5] „Dieser Ingenieur Kroysing war eine komische Tulpe.
[6] „Ach, ehrwuͤrdiger Herr! glauben Sie nur nicht, daß ich ſo klug ſey wie ich ausſehe, es fehlt mir durchaus nicht an Religion, ich bin keine Tulpe, bey Leibe keine Tulpe, nur um des Himmels Willen keine Tulpe, ich will lieber alles glauben!“
[7] südhessisch: „Ui guck emōl, was der e T[ulb]. de!“
[7] südhessisch: „De Siffer kennd mer an seiner D[ulb].
[8] obersächsisch (Leipzig): „Ich geb der eens of de Tulpe.
Redewendungen:
[5] umgangssprachlich veraltend: Tulpe tun/berlinisch: tun wie ’ne Tulpe
[5, 7] umgangssprachlich veraltet: trübe Tulpe
Übersetzungen:


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