Getto
Substantiv, n, m:

Worttrennung:
Get·to, Plural 1: Get·tos, Plural 2: Get·ti
Aussprache:
IPA [ˈɡɛto]
Bedeutungen:
[1] historisch: von der jüdischen Bevölkerung (anfänglich freiwillig, später zwangsweise) bewohntes, von den übrigen Stadtvierteln (durch Mauern oder Ähnliches) abgetrenntes Viertel
[2] früher, besonders in der Zeit des Nationalsozialismus: (militärisch streng bewachtes) isoliertes Stadtviertel, in dem die jüdische Bevölkerung gezwungenermaßen abgesondert von der übrigen Stadtbevölkerung (in unmenschlichen Lebensverhältnissen) leben musste
[3] zumeist abwertend: von diskriminierten Minderheiten, Ausländern oder auch privilegierten Bevölkerungsgruppen bewohnter Bezirk beziehungsweise Viertel einer Stadt
[4] bestimmte (soziale, wirtschaftliche oder dergleichen) mentale oder psychische Sphäre, der sich jemand nicht entziehen kann
Herkunft:
Eine seit der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts, zunächst in Berichten über Italien, bezeugte Entlehnung aus italienisch ghetto m, das ursprünglich das Judenviertel in Venedig (seit dem 16. Jahrhundert) bezeichnete. Die Etymologie ist nicht eindeutig geklärt. Sicher ist jedoch, dass in Verbindung mit der von Italien ausgehenden Absonderung der Juden in eigene Stadtviertel die italienische Bezeichnung in andere Sprachen gelangte. Die jüdische Gemeinde wurde in Venedig auf Beschluss eines Dekrets der Regierung der Republik Venedig vom 29. März 1516 auf ein einziges Stadtviertel auf dem Gelände einer Gießerei (Geto Nuovo „die#Artikel|die neue Gießerei“, als einschlägige Bezeichnung schon 1531) beschränkt, das sich auf einer Insel im Sestiere Cannaregio im Nordwesten der Stadt befindet, und wo sie getrennt von ihren christlichen Mitbürgern lebte. Dann kam die alte Gießerei (Geto Vecchio) dazu und schließlich wurde das Geto Nuovissimo angeschlossen, wo sich gar keine Gießerei mehr befand. In dieser Zeit hatte Geto also bereits die Bedeutung „Judenviertel“ angenommen. Da Venedig als erste Stadt ein eigenes Viertel für die Juden hatte, wurde der Name vorbildlich. Man versucht also, italienisch ghetto von Geto herzuleiten. Da auf der Insel Geto Nuovo im Mittelalter Metallgießereien (unter anderem Kanonengießereien) betrieben wurden, ist ein Zusammenhang mit italienisch gettare [ˌd͡ʒetˈtaːre] „(Metalle) in#in (Deutsch)|in Formen gießen“ möglich. Das zugehörige italienische Verbalsubstantiv getto [ˈd͡ʒɛtto] „Guss“ (im venezianischen Dialekt ghèto) kann von italienischen Juden lautlich mit hebräisch in Beziehung gesetzt worden sein, was eine Entwicklung von getto zu ghetto [ˈɡɛtto] erklären würde. Es wird ebenfalls versucht, das Wort von italienisch EgittoÄgypten“ (wohl in Anlehnung an dem im Alten Testament geschilderten Auszug der Israeliten aus Ägypten) sowie von italienisch borghetto, dem Diminutiv von borgo „(Vorstadt-)Viertel“, herzuleiten.
Synonyme:
[1] Judenquartier, Judenviertel
Beispiele:
[1] „Ich sage die Auffindung, denn die Juden, die dasselbe aus dem großen Brande des zweiten Tempels gerettet, und es im Exile gleichsam wie ein portatives Vaterland mit sich herumschleppten, das ganze Mittelalter hindurch, sie hielten diesen Schatz sorgsam verborgen in ihrem Getto, wo die deutschen Gelehrten, Vorgänger und Beginner der Reformation, hinschlichen um Hebräisch zu lernen, um den Schlüssel zu der Truhe zu gewinnen, welche den Schatz barg.“
[1] „Überall die Schranken des Gettos, die noch lange nicht beseitigt sind in unseren Tagen, und die um so drückender und erniedrigender wirken, weil sie nicht mehr als eine weithin sichtbare Mauer, sondern mehr wie eine gläserne Wand Mensch von Menschen, Rasse von Rasse scheiden.“
[1] „Die These von der Autorschaft Goethes kann sich sowohl auf sein durch die Jugendschriften bezeugtes intensives Interesse am Studium des Alten Testaments und des Hebräischen als auch auf die gut belegten Kontakte mit dem Frankfurter Judentum und dem im Getto gesprochenen Jiddisch stützen, das sich zum Teil mit dem Frankfurter Lokaldialekt vermischt hatte.“
[1] „Hier stehen Ludwig Börne und Heinrich Heine, zwei Juden, die Protagonisten des ‚Jungen Deutschland‘, wir schreiben das Jahr 1827, Börne macht den Stadtführer und zeigt dem Besucher nach dem Palais Thurn und Taxis - dem Sitz des Bundestags - den Römer und schließlich die Judengasse, das Frankfurter Getto, das erst sechzehn Jahre zuvor mehr schlecht als recht aufgelöst worden war.“
[2] „Wenig später ergibt sich daraus eine längere Tätigkeit: Der das Getto verwaltende ‚Judenrat‘ ernennt ihn zum Chef des ‚Übersetzungs- und Korrespondenzbüros‘. Von November 1940 bis Februar 1943 lebt Reich-Ranicki im Getto.
[2] „Im Oktober wurde das alte Judenviertel zum Getto deklariert und ca. 45.000 Juden auf engstem Raum zusammengepfercht.“
[2] „Am 20. Dezember musste die jüdische Bevölkerung ohne Vorankündigung der deutschen Behörden sofort in einen kleinen Teil der Stadt umziehen, der seitdem bei der Bevölkerung Getto hieß.[…]Dieses Getto hatte weder Zäune noch Mauern; nur deutsche oder polnische Polizisten standen an der Gettogrenze.[…] Aus dem Baltikum und der Ukraine kamen auch Hilfswillige, die der SS bei der Deportation aus den Gettos im besetzten Polen halfen.“
[3] „Ihre einzige Reaktion auf eine Negerkrise ist, die Polizeimacht im Getto zu verstärken, und je mehr die Polizeimacht verstärkt wird, um so mehr wird das Getto gedemütigt und um so feindseliger wird es.“
[3] „In diesem Getto wohnen nur Schwarze, aber Weiße unterhalten zahlreiche der ärmlichen Drugstores, Pfandhäuser, Schnaps- und Möbelläden.“
[3] „Der Film zeigt die winterliche Slum-Landschaft der Süd-Bronx und gibt einen Einblick in die desolaten Lebensumstände der Menschen, die ihr Dasein im Getto fristen.“
[4] „Ich bin gegen eine solche Selbstisolation der Kirche und gegen eine Einschränkung der Gesprächsbereitschaft. Dieses Getto hat der Kirche noch nie gutgetan.“
[4] „Mit all jenen Ausländerjugendlichen, die sich von der Gesellschaft abgemeldet haben, sich mit Gewalt durchs Leben schlagen und bei denen sämtliche Anstrengungen, sie aus ihrem inneren Getto herauszuholen, nichts genützt haben?“
[4] „Immer wieder finden sich Bonhoeffers Warnungen vor der Flucht in ein spirituelles, selbstbeschauliches Getto.
Übersetzungen:


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